Die nachstehende Extrem-Situation habe ich leider einmal bei der Hufbearbeitung meines Pferdes selbst miterlebt.
Mein Pferd hatte sich vorne ein Eisen abgetreten und mein damaliger Hufschmied konnte krankheitsbedingt das Eisen nicht wieder dran machen. Deswegen hatte ich einen fremden Hufschmied, der am Hof war, gebeten, dies zu übernehmen. Damals war mein Pferd noch komplett beschlagen.
Der Hufschmied hatte einen eigenen Aufhalter dabei. Die Hufbearbeitung beginnt und mein Pferd zog immer wieder mehrfach seinen Huf weg. Der Hufschmied war total genervt davon und wies den Aufhalter an mehr festzuhalten. Daraufhin steigerte aber mein Pferd seine Intensität, um seinen Huf wiederzubekommen. Als ihm das nichts nutzte, fing er an zu steigen. Daraufhin brüllte der Hufschmied mein Pferd an und schlug ihn mit der Raspel mehrfach auf die Rippen. Ich war total geschockt und konnte nichts sagen. Mein Pferd stand für 5 Minuten wie versteinert da und bewegte sich nicht. Die Hufbearbeitung wurde fortgesetzt. Dann löste sich die Schockstarre meines Pferdes und er stieg wieder und hängte sich ins Halfter, warf sich rückwärts und wollte fliehen. Die Hufbearbeitung musste unterbrochen werden, so dass er sich wieder beruhigen konnte. Dann konnte das Eisen noch drauf genagelt werden und das Horror-Szenario war vorbei.
Der Hufschmied wetterte über mein Pferd und sagte, man müsse ihn wohl beim Hufe machen sedieren.
Diesem Hufschmied habe ich natürlich nicht wieder mein Pferd anvertraut.
Da mein alter Hufschmied auch zukünftig keine Hufe mehr gemacht hat, habe ich mir einen neuen Hufschmied gesucht. Allerdings habe ich gleich bei Kontaktaufnahme darauf hingewiesen, dass ich nicht akzeptieren werde, dass mein Pferd angebrüllt oder geschlagen wird.
Mein neuer Hufschmied nahm sich dann Zeit, wir haben öfter die Hufe abgesetzt und dann klappte es von mal zu mal immer besser und auch schneller.
Dank meinem Pferd habe ich gelernt, dass es eben nicht immer nach Schema F geht. Wenn man aber flexibel ist und auf die Bedürfnisse des einzelnen Pferdes eingeht man viel erreichen kann.
Immer wieder bekomme ich von Kunden/Kundinnen erzählt, dass bei der Hufpflege stark unter Zeitdruck gearbeitet wurde, den Pferden teils die Hufe sehr hoch gerissen werden oder Gewalt angetan wird. Wenn sich verständlicherweise die Pferde dann gegen die Gewalt wehren wird dann die Bearbeitung abgelehnt oder angeraten, dass sie bei der Hufpflege sediert werden. Das macht mich alles sehr traurig.
Daher möchte ich helfen, dass die Pferde ihr Vertrauen wieder erlangen und sich bei der Hufpflege entspannen können.
Selbst-Experiment Hufpflege für Pferdebesitzer/Pferdebesitzerinnen
Nachstehend lade ich Sie dazu ein, an einem kleinen Selbst-Experiment teilzunehmen, damit man sich besser in sein Pferd hineinversetzen kann, da man an eigenem Körper erlebt, wie es sich bei der Hufpflege anfühlen kann:
Legen Sie sich eine Decke auf den Boden. Knien Sie sich auf die Decke im Vierfüßlerstand, d.h. zuerst auf die Knie und stützen sich auf die Hände, wie ein Pferd. Dann heben Sie sofort z.B. Ihren rechten Arm vom Boden ab und beugen ihn nach hinten, als wäre er ein Pferdehuf, den man gleich auskratzen bzw. den Huf bearbeiten würde.
1. Können Sie sofort den Arm vom Boden aufheben?
2. Oder ist ggfs. erst eine Gewichtsverlagerung erforderlich, um den Arm vom Boden aufzuheben?
3. Wie lange dauert es, um diese Position einzunehmen?
4. Können Sie dann den Arm in dieser Position 5-10 Minuten halten, ohne umzukippen?
5. Was spüren Sie z.B. im Rücken, wenn Sie diese Position möglichst lange halten wollen? Ist das angenehm oder unangenehm?
Dann variieren Sie dieses Experiment so, dass Sie eine vertraute Person bitten, den Hufpfleger zu spielen. Dieser hebt Ihren Arm sofort vom Boden ab.
1. Klappt das überhaupt sofort?
2. Wie fühlt sich das an, wenn man fremdbestimmt bewegt wird?
3. Hält die Person den Arm dann auch so, dass es angenehm ist, z.B. nicht zu stark gebeugt oder zu stark nach hinten oder oben oder seitlich gezogen?
4. Welchen inneren Konflikt löst diese Situation ggfs. in Ihnen aus?
Dann sind Sie herzlich eingeladen, dieses Experiment auch entsprechend der Hufpflege zu variieren, d.h. den rechten Arm auch nach vorne zu strecken und auf einen Wasserkasten aufzustellen, um den Hufbock zu immitieren und dann auch für den linken Arm und auch für die Beine auszuführen.
Wenn Sie dieses Experiment ausprobiert haben, bekommen Sie vielleicht mehr Verständnis dafür, dass Ihr Pferd einen Augenblick braucht, um sich zu organisieren, um einen Huf zu geben, dass es eben nicht sofort geht und dass es eben diesen Huf ggfs. nicht so lange geben oder in der Position halten kann, wie wir es gerne hätten.
Ihre Nicole Pendl